Ein Brief vom Gericht mit der Aufforderung, eine Geldstrafe zu zahlen, ist für die meisten Menschen ein Schock. Schnell tauchen Fragen auf: Wie setzt sich dieser Betrag zusammen? Ist die Höhe gerechtfertigt? Und was genau bedeutet eigentlich „90 Tagessätze“? Die gute Nachricht ist: Das System dahinter ist logisch und nachvollziehbar. Die Gesamthöhe einer Geldstrafe basiert auf zwei fundamentalen Säulen: der Anzahl der Tagessätze und der Höhe eines einzelnen Tagessatzes.
In diesem Artikel erklären wir Ihnen präzise und verständlich die Formel, mit der Sie die Höhe eines Tagessatzes berechnen. Sie erfahren, welches Einkommen berücksichtigt wird, welche Abzüge möglich sind und wie Sie überprüfen können, ob die Berechnung in Ihrem Strafbefehl oder Urteil korrekt ist. So erhalten Sie die Klarheit, die Sie benötigen, um Ihre Situation richtig einzuschätzen.
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- Eine Geldstrafe besteht aus zwei Teilen: der Anzahl der Tagessätze (spiegelt die Tatschuld wider) und der Höhe des Tagessatzes (richtet sich nach Ihrem Einkommen).
- Die Grundformel zur Berechnung der Tagessatzhöhe lautet: Monatliches Nettoeinkommen / 30.
- Grundlage ist Ihr tatsächliches, durchschnittliches Nettoeinkommen, das dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung zur Verfügung steht.
- Unterhaltsverpflichtungen und außergewöhnliche Belastungen können das zur Berechnung herangezogene Einkommen reduzieren.
- Ist die vom Gericht geschätzte Tagessatzhöhe zu hoch, können Sie Einspruch einlegen und eine Anpassung verlangen.
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Was ist ein Tagessatz? Die Definition nach dem Strafgesetzbuch
Ein Tagessatz ist die Maßeinheit, aus der sich eine Geldstrafe im deutschen Strafrecht zusammensetzt. Das Konzept, geregelt in § 40 des Strafgesetzbuches (StGB), soll für mehr Gerechtigkeit sorgen. Die Idee dahinter ist simpel, aber wirkungsvoll: Eine Straftat soll jeden Täter finanziell gleich hart treffen, unabhängig von dessen Einkommen oder Vermögen. Ein Millionär spürt eine Strafe von 500 Euro kaum, während sie für einen Geringverdiener existenzbedrohend sein kann.
Deshalb wird die Strafe in „Tage“ unterteilt. Die Anzahl der Tagessätze (zwischen 5 und 360, in Ausnahmefällen bis zu 720) bemisst die Schwere der Tat und die Schuld des Täters. Die Höhe eines Tagessatzes (zwischen 1 und 30.000 Euro) wird hingegen anhand der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters, also primär seines Einkommens, festgelegt. Die Gesamtsumme der Geldstrafe ergibt sich dann aus der Multiplikation beider Werte.
Die exakte Formel: So wird Ihr Tagessatz berechnet
Die Berechnung der Tagessatzhöhe ist der entscheidende Schritt, der bestimmt, wie hoch die finanzielle Belastung für Sie am Ende ausfällt. Während die Anzahl der Tagessätze eine juristische Bewertung Ihrer Tat darstellt, ist die Ermittlung der Höhe eine rein mathematische Aufgabe, die auf klaren Regeln basiert.
Meiner Erfahrung nach hat sich in der Praxis eine ganz einfache Faustformel etabliert, die auch von den Gerichten als Ausgangspunkt genutzt wird. Sie lautet:
Tagessatzhöhe = Monatliches Nettoeinkommen / 30
Das Gericht geht also davon aus, dass Ihnen pro Tag ein Dreißigstel Ihres monatlichen Nettoeinkommens zur Verfügung steht. Erhalten Sie beispielsweise einen Strafbefehl über 50 Tagessätze und Ihr monatliches Nettoeinkommen beträgt 2.100 Euro, würde die Berechnung wie folgt aussehen:
Tagessatzhöhe: 2.100 € / 30 = 70 €
Gesamtstrafe: 50 Tagessätze x 70 € = 3.500 €
In diesem Beispiel würde die zu zahlende Geldstrafe also 3.500 Euro betragen. Die entscheidende Frage für Sie ist nun: Welches „Einkommen“ wird für diese Formel genau herangezogen und hat das Gericht bei der Berechnung alles korrekt berücksichtigt?
Was zählt zum Nettoeinkommen? Die genaue Berechnungsgrundlage
Grundlage für die Berechnung der Tagessatzhöhe sind Ihre gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Urteils oder des Strafbefehls. Das Gericht ist daran interessiert, welches Einkommen Ihnen tatsächlich und dauerhaft zur Verfügung steht. Es geht also um Ihr durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen.
Zu diesem Einkommen zählen alle Einkunftsarten, wie zum Beispiel:
- Gehalt aus nichtselbstständiger Arbeit
- Gewinne aus selbstständiger Tätigkeit oder einem Gewerbebetrieb
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
- Kapitalerträge wie Zinsen oder Dividenden
- Staatliche Leistungen wie Arbeitslosengeld I, Bürgergeld, BAföG oder Renten
Wichtig ist hierbei der Netto-Betrag. Das bedeutet, von den Bruttoeinnahmen werden Steuern (Lohn-, Einkommensteuer) und Sozialversicherungsbeiträge (Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) bereits abgezogen.
Sonderfall: Einkommen von Selbstständigen und Freelancern
Für Selbstständige ist die Ermittlung des Nettoeinkommens oft komplexer als für Angestellte, da Einnahmen stark schwanken können. Hier greifen Gerichte in der Regel auf den letzten Einkommensteuerbescheid zurück und ermitteln ein durchschnittliches monatliches Einkommen für das vergangene Jahr. Eine saubere Buchführung und eine realistische Einschätzung der eigenen Finanzen, wie sie auch notwendig ist, um den eigenen Stundensatz zu kalkulieren, schafft hier Klarheit und eine verlässliche Grundlage für die Kommunikation mit dem Gericht.
Diese Abzüge können Ihre Tagessatzhöhe senken
Das vom Gericht ermittelte Nettoeinkommen ist nicht in Stein gemeißelt. Es gibt legitime Abzüge, die Ihre finanzielle Leistungsfähigkeit mindern und daher bei der Berechnung des Tagessatzes berücksichtigt werden müssen. Hier aktiv zu werden, ist oft der effektivste Weg, um die Höhe der Geldstrafe zu reduzieren.
Unterhaltsverpflichtungen als entscheidender Faktor
Gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen sind der häufigste und wichtigste Abzugsposten. Zahlen Sie Unterhalt für Ihre Kinder oder Ihren getrenntlebenden bzw. geschiedenen Ehepartner, wird dieser Betrag von Ihrem Nettoeinkommen abgezogen, bevor der Tagessatz berechnet wird. Aus meiner Sicht ist die korrekte und nachweisbare Angabe von Unterhaltsverpflichtungen der entscheidende Hebel, um eine zu hoch angesetzte Tagessatzhöhe fair anzupassen.
Außergewöhnliche Belastungen
Auch andere außergewöhnliche finanzielle Belastungen können geltend gemacht werden. Ein Detail, das oft übersehen wird, ist, dass nicht jede Ausgabe zählt. Es muss sich um besondere, unvermeidbare und erhebliche Kosten handeln. Dazu gehören typischerweise:
- Hohe Krankheitskosten, die nicht von der Versicherung gedeckt sind.
- Kosten für die Pflege von nahen Angehörigen.
- Schulden, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Tilgungsraten für Kredite, die zur Deckung des Lebensunterhalts aufgenommen wurden).
Pauschale Abzüge für Versicherungen oder allgemeine Lebenshaltungskosten werden hingegen in der Regel nicht zusätzlich anerkannt.
Was passiert, wenn kein Einkommen vorhanden ist?
Wenn ein Verurteilter kein eigenes Einkommen hat (z.B. Studenten, Hausfrauen/-männer ohne Einkünfte, manche Bürgergeld-Empfänger), kann das Gericht das Einkommen schätzen. Wenn keine Anhaltspunkte für ein höheres Einkommen bestehen, wird oft der gesetzliche Mindest-Tagessatz von 1 Euro angesetzt, wie es § 40 Abs. 2 S. 3 StGB vorsieht. Bei Sozialleistungen wie Bürgergeld wird oft nur ein Teil als frei verfügbares Einkommen gewertet, was ebenfalls zu einem sehr niedrigen Tagessatz führen kann.
Tagessatz zu hoch? So wehren Sie sich richtig
Oftmals kennen Gericht und Staatsanwaltschaft Ihre genauen Einkommensverhältnisse nicht. In solchen Fällen wird Ihr Einkommen geschätzt. Diese Schätzung kann, bewusst oder unbewusst, zu Ihren Ungunsten ausfallen. Wenn Sie also einen Strafbefehl erhalten und das Gefühl haben, der angesetzte Tagessatz ist unangemessen hoch, müssen Sie aktiv werden.
Sie haben die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Strafbefehls Einspruch einzulegen. Dieser Einspruch muss schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Gericht erfolgen, das den Strafbefehl erlassen hat. Wichtig ist hierbei: Sie müssen nicht den gesamten Strafbefehl anfechten.
Ich empfehle an dieser Stelle meistens, den Einspruch ausdrücklich auf die Höhe des Tagessatzes zu beschränken. Damit akzeptieren Sie die Schuldfeststellung (also die Anzahl der Tagessätze), aber fordern eine neue, korrekte Ermittlung Ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Dies führt in der Regel zu einem vereinfachten schriftlichen Verfahren, ohne dass die Tat selbst noch einmal in einer Hauptverhandlung aufgerollt wird. Legen Sie Ihrem Einspruch aussagekräftige Belege bei:
- Die letzten drei Gehaltsabrechnungen
- Den aktuellen Einkommensteuerbescheid
- Nachweise über Unterhaltszahlungen (Kontoauszüge, Titel)
- Belege über außergewöhnliche Belastungen
Was passiert, wenn Sie die Geldstrafe nicht zahlen können?
Sollten Sie die Geldstrafe nicht zahlen, droht die sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe. Das bedeutet, dass für jeden nicht gezahlten Tagessatz ein Tag Haft verbüßt werden muss. Dies ist jedoch die letzte Konsequenz. Bevor es so weit kommt, gibt es mehrere Möglichkeiten, eine Lösung zu finden, wenn Sie zahlungsunfähig oder -unwillig sind.
Suchen Sie proaktiv den Kontakt zur zuständigen Staatsanwaltschaft. Die Möglichkeit von Zahlungserleichterungen wie Ratenzahlung ist in § 42 StGB geregelt und sollte beantragt werden, bevor die Fristen verstreichen. Sie können beantragen, die Geldstrafe in Raten zu zahlen oder sogar eine Stundung (also einen Zahlungsaufschub) zu erwirken. In manchen Bundesländern besteht zudem die Möglichkeit, die Strafe durch gemeinnützige Arbeit („freie Arbeit“) abzuleisten.
Die 90-Tagessätze-Grenze: Ab wann gelten Sie als vorbestraft?
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass jede Verurteilung zu einer Geldstrafe automatisch bedeutet, dass man „vorbestraft“ ist. Das ist nicht korrekt. Entscheidend ist die sogenannte 90-Tagessätze-Grenze. Eine Verurteilung wird erst dann in Ihr polizeiliches Führungszeugnis eingetragen, wenn die Strafe mehr als 90 Tagessätze beträgt.
Dabei kommt es ausschließlich auf die Anzahl der Tagessätze an, nicht auf die Gesamtsumme der Strafe. Eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 100 Euro (insgesamt 8.000 Euro) führt zu keinem Eintrag. Eine Strafe von 91 Tagessätzen zu je 10 Euro (insgesamt 910 Euro) hingegen schon. Dieser Eintrag kann bei der Jobsuche, der Beantragung eines Gewerbes oder in anderen Lebensbereichen zu Nachteilen führen.
Fazit: Wissen ist Ihr Schlüssel zur Fairness
Eine Geldstrafe ist belastend, doch das System dahinter ist transparent und nachvollziehbar. Die Formel „Monatliches Nettoeinkommen geteilt durch 30“ ist der Ausgangspunkt für alles Weitere. Sie sind der Situation jedoch nicht hilflos ausgeliefert. Ihr Weg zu einer fairen Strafe basiert auf drei entscheidenden Schritten:
- Prüfen Sie die Berechnungsgrundlage in Ihrem Strafbefehl oder Urteil akribisch.
- Sammeln Sie lückenlose Nachweise über Ihr reales Einkommen und alle abzugsfähigen Belastungen.
- Handeln Sie schnell und legen Sie fristgerecht Einspruch ein, wenn der Tagessatz zu hoch angesetzt wurde.
Indem Sie die Berechnung verstehen und Ihre Rechte kennen, können Sie sicherstellen, dass die Höhe der Geldstrafe am Ende Ihre tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit widerspiegelt und nicht auf einer fehlerhaften Schätzung beruht.
Häufig gestellte Fragen
[sc_fs_multi_faq headline-0=“h3″ question-0=“Kann ich auch die Anzahl der Tagessätze anfechten?“ answer-0=“Ja, durch einen uneingeschränkten Einspruch gegen den Strafbefehl fechten Sie auch die Schuldfeststellung, also die Anzahl der Tagessätze, an. Dies führt jedoch zu einer vollständigen Hauptverhandlung vor Gericht, in der der gesamte Fall neu aufgerollt wird, was auch Risiken birgt. Ein auf die Tagessatzhöhe beschränkter Einspruch ist oft der sicherere Weg.“ image-0=““ headline-1=“h3″ question-1=“Zählt mein Vermögen (z.B. ein Haus oder Aktien) zur Berechnungsgrundlage?“ answer-1=“Primär zählt Ihr laufendes Einkommen. Das Gericht kann jedoch erhebliches Vermögen bei der Beurteilung Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigen. Es wird dann eventuell davon ausgehen, dass Sie aus diesem Vermögen Einkünfte erzielen oder es Ihnen zuzumuten ist, einen Teil davon für die Strafe zu verwenden.“ image-1=““ headline-2=“h3″ question-2=“Wie lange habe ich Zeit für einen Einspruch gegen den Strafbefehl?“ answer-2=“Die Frist für den Einspruch beträgt exakt zwei Wochen nach der Zustellung des Strafbefehls. Dies ist eine absolute Ausschlussfrist. Versäumen Sie diese Frist, wird der Strafbefehl rechtskräftig wie ein Urteil.“ image-2=““ headline-3=“h3″ question-3=“Was ist, wenn das Gericht mein Einkommen einfach geschätzt hat?“ answer-3=“Das ist ein völlig normaler und rechtlich zulässiger Vorgang, wenn dem Gericht keine genauen Daten vorliegen. Es liegt dann an Ihnen, diese Schätzung im Rahmen eines Einspruchs zu korrigieren. Indem Sie Belege über Ihr tatsächliches Einkommen vorlegen, zwingen Sie das Gericht zu einer Neuberechnung auf realer Basis.“ image-3=““ count=“4″ html=“true“ css_class=““]